In einem anderen Leben
Nava Ebrahimis kluger und poetischer Roman "Sechzehn Wörter" ist das Buch für die Stadt 2022
von Anne Burgmer
Wörter können mächtig sein. Sie können glücklich machen und zu Tränen rühren. Sie können Beziehungen festigen und zerstören. Mona, die Ich-Erzählerin in Nava Ebrahimis Roman “Sechzehn Wörter”, fühlt sich von ihnen gar gefangen genommen, genauer von 16 Wörtern ihrer persischen Muttersprache, von denen sie sich, wie sie es im Prolog des Romans schildert, erst befreien kann, als sie ein erstes Wort ins Deutsche, ihre andere Sprache, übersetzt: “Mit einem Schlag verlor es die Macht über mich. Wie in einem Märchen, durch die Übersetzung hob ich den Bann auf, der auf dem Wort lag, und befreite mich aus der Geiselhaft. Wir waren nun beide frei, das Wort und ich.”
Anhand dieser 16 Wörter erzählt Nava Ebrahimi Monas Geschichte in diesem so klugen wie poetischen Roman, der in diesem Jahr das Buch für die Stadt und die Region ist. Mona wurde in Teheran geboren, kam aber als kleines Kind mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie wuchs in Köln auf, studierte und lebte mit Mitte 20 ein Jahr lang als Korrespondentin im Iran. Mit Mitte 30 wohnt sie wieder in Köln und arbeitet als Ghostwriterin für einen vielbeschäftigen Ghostwriter. Ein Job, der ihre wahre Identität nicht offenbart und sinnbildlich für ihr ganzes Leben steht.
Eine unmögliche Liebe
Was ist Heimat? Der Iran ist für sie eine unmögliche Liebe, eine anstrengende On-Off-Beziehung: “Das stört mich am meisten, wenn ich im Iran bin: dass ich wahr und unwahr manchmal nicht unterscheiden kann. In Deutschland macht mir niemand etwas vor.” Aber genau dort fühlt sie sich eben auch immer “wie ein faules Ei” im Kreis ihrer Freunde.